Seit knapp 2 Jahren habe ich nun für mich eine 4-Tage-Woche eingeführt. Ich habe jeden Donnerstag frei. Zugegeben ist es für mich relativ einfach, da ich in unserem Unternehmen mit dem Tagesgeschäft nicht viel zu tun habe. Ich bin verantwortlich für das Kaufmännische, unterstütze in der Arbeitsvorbereitung, mache aber keine Bauleitung.
Was hat mich dazu veranlasst, nur noch 4 Tage pro Woche zu arbeiten?
Ich war 45, als ich mir den Entschluss gefasst habe, dass ich mit 50 nur noch 50 % arbeiten möchte. Nicht, dass ich die anderen 50 % dann auf der Couch liegen wollte. Nein. Ich wollte Zeit für was Neues haben. Unter anderem für meinen Blog. Ich wollte nicht, bis ich in Rente gehe, immer nur „Dächer verkaufen“.
Ich wollte aber auch meine psychische Gesundheit schützen. Zu viel Arbeit macht krank. Das habe ich schmerzvoll selbst erfahren müssen. 2 Jahre war ich ausgeknockt, weil ich meiner Birne zu viel zugemutet habe. Das durfte nicht mehr passieren. Nun sind aus den 50 % 80 % geworden – nicht schlimm. Ich bin zufrieden mit dem Stand, wenn der Weg auch bislang nicht zu Ende ist.
Warum erzähle ich das? Weil jeder Mensch seine individuelle Geschichte hat. Jeder Mensch hat eigene Bedürfnisse und Zukunftspläne. Bevor wir hier über Arbeitszeitmodelle nachdenken, sollten wir den Mensch immer im Auge haben. Es gibt kein Arbeitszeitmodell, das Du allen einfach so mal überstülpen kannst.
Heute möchte ich auf die verschiedenen Arbeitszeitmodelle eingehen, von denen ich schon gehört habe. Es gibt dabei kein Ranking. Wie ich schon geschrieben habe, sind Unternehmen und Menschen Individuen. Jeder muss die Lösung finden, die für ihn am besten passt.
Was ich allerdings finde, ist, dass das tarifliche Arbeitszeitmodell in die Jahre gekommen ist. Mir fehlt dabei Flexibilität. Für die Zukunft müssen wir uns Gedanken machen, wie wir es schaffen attraktive Arbeitszeitmodelle anzubieten, ohne dass die Produktivität für das Unternehmen leidet.
Der Fachkräftemangel im Handwerk ist nicht das einzige Problem. Bevor wir auf die verschiedenen Arbeitszeitmodelle eingehen, stelle ich mir die Frage:
Welche Probleme könnten wir mit neuen Arbeitszeitmodellen lösen?
- Zu wenige Fachkräfte im Handwerk
- Zu wenig Zeit für Privates und Familie
- Immer mehr Mitarbeiter werden seelisch krank durch Stress und zu viel Arbeit
- Durch feste Arbeitszeiten und wenig Flexibilität, Produktivitätsverlust für den Unternehmer
Wie also können wir dem entgegenwirken? Wenn wir mit neuen Arbeitszeitmodellen nur Mitarbeiter von anderen Handwerksunternehmen abwerben, helfen wir dem Handwerk insgesamt nicht. Wir müssen zeigen, dass das Handwerk insgesamt attraktiv ist.
Wie viel Arbeit ist gesund?
Während die Diskussion über die 4-Tage-Woche in vollem Gange ist, wären viele Mitarbeiter froh, wenn sie eine 5 Tage Woche hätten, nicht samstags arbeiten oder Überstunden machen müssten. Ich habe mal gelesen, dass die optimale Arbeitszeit für einen Arbeitnehmer bei ca. 35 Stunden liegt. Erst dann bleibt noch Zeit für ein Privatleben neben der Arbeit. Erst dann wirst Du Deinen Freunden, Deiner Familie und auch Dir selbst gerecht.
Auf Dauer Überstunden machen, macht krank. Psychisch und körperlich.
Meine Meinung zur Gen Z
Insbesondere die Gen Z, die zwischen 1995 und 2010 Geborenen, möchten sich nicht kaputt arbeiten. Für diese Generation zählt auch ein Leben neben der Arbeit.
Ich kenne so viel Menschen in meinem Alter, die über diese Generation herziehen, weil sie nicht so fleißig sind wie wir früher. Aber war es denn wirklich gut, dass wir 60 Stunden die Woche gearbeitet haben? Oder war das eher ziemlich doof?
Viele von uns haben sich auf dem Bau kaputt gearbeitet. Sie sind mit 50 Jahren ein körperliches Wrack oder hatten schon Erfahrung mit psychischen Erkrankungen. Sind wir so Vorbild für die Jugend von heute? Ich würde sagen, nein. Ich bewundere daher eher diese Generation. Sie suchen einen sinnerfüllten Job, bei dem es noch Zeit gibt für ein Leben neben der Arbeit, ohne sich kaputtzumachen.
Wie werde ich bei flexiblen Arbeitszeitmodellen Unternehmer und Mitarbeiter gerecht?
Bei allen Arbeitszeitmodellen gilt es darauf zu achten, dass die Unternehmen und Mitarbeiter davon profitieren. Das muss sich die Waage halten.
Im Sommer 300 Überstunden für den Winter ansammeln ist sehr flexibel und gut für den Chef. Der Mitarbeiter hat da eher nichts davon, weil er im Sommer keine Zeit für sich oder Familie hat. Im Sommer 4 Wochen Urlaub für den Mitarbeiter ist sicher schön für ihn. Aber wenn im Unternehmen im Sommer die Produktivität fehlt, kommt kein Geld in die Kassen.
Es ist wie bei allem im Leben. Es geht darum, den richtigen Mittelweg zu finden.
7 flexible Arbeitszeitmodelle für das Handwerk
Arbeitszeitmodell bei Marquardt Dächer&Fassaden
Die Mitarbeiter im Büro arbeiten unterschiedlich. Unser Meister arbeitet 9 Stunden am Tag, da er mehr verdienen möchte. Unsere beiden Damen arbeiten Teilzeit, da sie Kinder haben, die sie betreuen müssen. Zusätzlich haben die beiden Gleitzeit, da es immer unterschiedlich lang dauert, bis die Kleinen versorgt sind.
Ich bin bei 4 Tagen die Woche mit 2 Tagen Homeoffice, weil ich 60 km Anfahrt zur Arbeit habe. Unser Prokurist hat Vertrauensarbeitszeit ohne feste Stunden. Er arbeitet so, wie es erforderlich ist, ohne genau auf die Stunden zu schauen. Mein Cousin und Partner arbeitet streng von 7.00-17.30 mit 1 h Mittagspause und hat freitags nachmittags frei. Ihm ist die klare Trennung von Arbeit und Privatem wichtig.
Auf den Baustellen kann nicht jeder einfach so arbeiten, wie er möchte. Schließlich muss man gemeinsam auf die Arbeit fahren. Wir arbeiten grundsätzlich nach Tarif. Im Winter 7,5 Stunden und im Sommer 8 Stunden am Tag. Diesen Tarif haben wir allerdings in Bezug auf die Jahresarbeitszeit gelockert. Wenn ein Mitarbeiter zusätzlich Freizeit möchte, geben wir ihm auch mal unbezahlt frei. Früher hatten wir darauf bestanden, die jährliche tarifliche Arbeitszeit mindestens zu erfüllen. Davon sind wir weg.
Es müssen im Sommer keine Überstunden gemacht werden und auch nicht samstags gearbeitet. Wer mehr Geld benötigt, oder auch Stunden für bezahlte Freizeit vorarbeiten möchte, kann gerne auch Überstunden machen und samstags arbeiten.
Arbeitszeitmodell mehr Sommer weniger Winter
Ich habe erst letztens von einem Dachdecker gehört, dass er im Winter nur 7 Stunden/Tag und im Sommer 9 Stunden/Tag arbeitet. Freitags ist früher Schluss. Bei diesem Modell ist die Produktivität für den Unternehmer gewährleistet, da im Sommer effektiver gearbeitet werden kann als im Winter. Die Mitarbeiter haben aber auch was davon, da sie freitags früher ins Wochenende können.
Arbeitszeitmodell 4-Tage-Woche mit 38 Stunden
Bei diesem Modell wird von Montag bis Freitag 9,5 Stunden gearbeitet. Freitags ist frei.
Rein rechnerisch ist dieses Modell sehr effektiv. Der Arbeitgeber spart sich eine Anfahrt zur Baustelle. Weniger unproduktive Zeit. Ich bin kein Freund dieses Modells, weil dabei vergessen wird, dass unsere Mitarbeiter keine Maschinen sind. Ich glaube, dass mit 8 Stunden am Tag körperlicher Arbeit das Maximum erreicht ist. Danach sinkt die Produktivität merklich. Kein Mensch kann 9,5 Stunden am Tag Gas geben. Lediglich für junge Mitarbeiter unter 30 könnte das eine Option sein. Die stecken das besser weg. Aber Handwerker 50+ sind doch froh, wenn der Tag nach 8 Stunden vorbei ist.
Arbeitszeitmodell 4-Tage-Woche mit 32 Stunden ohne Lohnausgleich
Das Modell kann eine gute Lösung für Mitarbeiter sein, die hinreichend Geld haben und mehr Zeit für sich haben wollen. Vorteile sind, dass der Unternehmer einen zufriedenen und motivierten Mitarbeiter hat. Wie kann ich das aber umsetzen, wenn der Kollege aus seinem Team 5 Tage arbeiten muss, weil er das Geld braucht. Er kann schlecht allein auf die Baustelle fahren.
Arbeitszeitmodell 4-Tage-Woche mit 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich
Nur noch 4 Tage arbeiten, bei gleichem Geld. Ich glaube, da wäre fast jeder Mitarbeiter dabei. Das würde aber die Lohnkosten nach oben treiben. Das musst Du als Unternehmer erst mal an Deine Kunden weitergeben können. Das Bauen ist in den vergangenen Jahren ohnehin schon unglaublich teuer geworden. Ich habe schon gehört, dass dieses Modell in Unternehmen gelebt wird. Allerdings ist mir im Handwerk noch kein Fall bekannt.
Arbeitszeitmodell Lebensarbeitszeit
Du arbeitest in jungen Jahren mehr, um im Alter Teilzeit zu arbeiten oder früher in Rente zu gehen. Das Modell hat einen guten Ansatz, birgt aber eine Menge Verwaltungsaufwand. Im Handwerk habe ich noch niemand gesehen, der das umsetzt. Ob es das Handwerk attraktiv macht? Ich glaube, es hat keinen großen Einfluss.
Arbeitszeitmodell flexible Jahresarbeitszeit
Es wird von Montag bis Freitag nach Tarif gearbeitet. Wenn jedoch ein Mitarbeiter zusätzlich frei haben will, dann bekommt er unbezahlt frei. Es kann z.B. festgelegt werden, dass jeder Mitarbeiter, wenn er will, bis zu 6 Wochen unbezahlt freibekommt im Jahr. Ob es für Kinderbetreuung, einen längeren Urlaub, oder wofür auch immer ist. Es gibt Mitarbeiter, die diese Flexibilität zu schätzen wissen.
Bevor ich ein Fazit ziehe, welches Arbeitszeitmodell wohl das Richtige ist, möchte ich noch 2 Fragen stellen:
Was sind die Gründe, warum Unternehmen nicht attraktiv für Handwerker sind?
Handwerksunternehmen sind nicht attraktiv, wenn:
- sie unpünktlich sind,
- die Baustelle dreckig hinterlassen wird,
- die Mitarbeiter ungepflegte Klamotten anhaben,
- die Website des Unternehmens 10 Jahre alt ist,
- ständig Überstunden gemacht werden müssen,
- der Chef cholerisch herumschreit,
- usw.
Was stört Mitarbeiter am meisten in Unternehmen?
- Schlechte Organisation,
- Stress und Chaos auf den Baustellen,
- eine nicht wertschätzende Kommunikation,
- zu viele Überstunden.
Fazit: Benötigt das Handwerk neue Arbeitszeitmodelle?
Wir können – und wie ich finde – wir müssen uns Gedanken machen über neue flexible Arbeitszeitmodelle. Um dem Fachkräftemangel Handwerk entgegenzuwirken, ist das sicher ein wichtiger Baustein.
Dabei sollten wir primär im Fokus haben, wie wir es schaffen, Stress der Mitarbeiter zu reduzieren. Welches Modell dafür das Richtige ist, ist für jedes Unternehmen und für jeden Menschen individuell. Und genau darin liegt das Problem: Es muss im Unternehmen gewährleistet sein, dass feste Teams gemeinsam zur Baustelle fahren. Wenn jeden Tag ein anderer Frei hat, wenn jeder zu einer anderen Uhrzeit anfangen und Feierabend machen möchte, ist das schlichtweg nicht möglich oder führt das zu einer Menge Unruhe im Team. Damit sinken die Produktivität und auch die Zufriedenheit des Teams.
Sicherlich findest Du junge Fachkräfte, wenn Du mit einer 4-Tage-Woche wirbst. Aber was machst Du mit Deinen älteren Fachkräften? Sollen die nun 9,5 Stunden arbeiten pro Tag? Das schaffen die meisten körperlich nicht mehr.
Vielmehr sollte jedes Unternehmen dafür sorgen, dass es einen guten Ruf hat und gut Arbeit macht. Dazu gehört termingerechtes und sauberes Arbeiten. Dazu gehören ein gute Außendarstellung und gute Organisation. Ich finde, diesen Aspekten sollte viel mehr Beachtung geschenkt werden als nur auf die flexiblen Arbeitszeitmodelle zu setzen. Diese Modelle gehören in jedes moderne Unternehmen, sind aber kein Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel Handwerk.
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Unternehmen sind übrigens auch nicht attraktiv für Handwerker wenn die Chefs in ihrem Blog eine Sprache an den Tag legen („die Mitarbeiter Klamotten anhaben wie Penner“) die wenig sensibel für marginalisierte Gruppen ist und mutmaßlich unbewusst gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit durchblicken lässt.
Hallo Titus,
danke für deine Anmerkung. Du hast recht, die Formulierung ist sehr unschön! Ich habe sie abgeändert.